short walks
-short walks- ist eine kleine Zusammenstellung aus einer Sammlung von verschiedenen Skizzenbüchern.
Das Skizzenbuch, das immer in meiner Tasche ist, ob auf Reisen oder bei Spaziergängen im Schwarzwald oder anderswo.
Dazu ein Text von Catherine Bierling mit dem Titel, „DIE ROLLE DES BLICKS – LERNEN ZU SEHEN“.
„Zum Sehen geben“ (*) ist der Titel eines Gedichtes von Paul Eluard. Es ist für mich eines der schönsten Geschenke, das man seinem Mitmenschen geben kann. Durch die Poesie das Sehen geben: Versuchen, diese erstaunlichen Dinge, denen man beim Beobachten der Welt begegnet, mittels Sprache fassbar, erfahrbar machen. In seiner Dichtung erwähnte Paul Eluard oft seine Freunde Picasso, Braque oder Miro und die Geschenke, die auch sie uns überreichten, indem sie ihre Gemälde allen zugänglich machten. Durch Malerei, durch Zeichnen das Sehen geben: Die Anderen daran teilhaben lassen, was unsere eigener Blick an Schönheit uns entdecken ließ, als es uns spüren ließ, dass wir genau am richtigen Ort waren, und dass diese Erde plötzlich für uns kein Exil mehr war.
Zeichnen: In den ersten Augenblicken handelt es sich um eine absolute private, sehr konzentrierte Handlung. Es ist ein Hin und Her zwischen dem Auge und dem Angeschauten; zwischen dem Reiz, der die Hand in Bewegung setzt, und dem Stift auf dem Blatt Papier. Ein geschlossener Kreis, den nichts unterbricht, eine Art super-egoistische Tätigkeit im guten Sinne, wenn man das so ausdrücken darf. Johannes Bierling sagt, es sei, als ob man in das gezeichnete Objekt hineingezogen wurde, so dass man sich selbst vergisst. Es ist wie das Verschwinden der eigenen Person, oder vielmehr wie eine Transzendenz, denn indem man mit dem innersten Wesen des Objekts verschmilzt, lösen sich die eigenen Grenzen auf. Eins werden mit der Landschaft, mit dem Objekt bedeutet, mit der Unendlichkeit der Zeit und des Raumes zu verschmelzen.
Bleibt denn eine Spur von dieser Erfahrung in der Zeichnung, in der Poesie bestehen? Auch wenn das Wort, die Zeichnung nicht das Gesehene, das Empfundene sein können?
Es ist und es ist nicht die Welt, sie ist gleichzeitig konkret und abstrakt, vorhanden und unsichtbar. Es ist ein Bezeugen, ein Beweis, dass ein glückliches Zusammenkommen mit der Welt stattgefunden hat. Vielleicht ist es wie der Gesang, den Orpheus zurückbringt, nachdem er Eurydike verloren hat.
Schließlich stellt sich die Frage: Haben wir denn selbst, uns selbsttäuschend, Sinn in die Natur hineingebracht, da wo es nichts gab? Wie kann man es mit Sicherheit wissen? In dem Moment, wo sich diese Epiphanien ereignen, hat die Frage nach dem Sinn gar keinen Sinn. Dort befindet man sich jenseits des Sinns, man ist in den Schoß des Zeitlosen zurückgekommen, und das genügt, um unsere Ängste zu beruhigen, auch wenn wir beim Gedanken unserer Endlichkeit manchmal verzweifeln.
Das Zeichnen und das Schreiben von Lyrik stellen für mich Versuche dar, diese Natur, die unsere ist, die uns gehört und von der wir ein Teil sind, manches mal bewusst zu bewohnen. Und es ist eine schöne Geste, die Erfahrungen den Tag zu bringen und sie zum Sehen zu geben, sei es durch das poetische Wort oder durch die Zeichnung.
(*) Paul Eluard, Donner à voir, 1939
Catherine Bierling, 2006








